Das Tabu

Autorin: Nicole Schumacher
ISBN: 978-3-748523499
Verlag: epubli, 2019

Wenn jemandem etwas Schlimmes widerfährt, ist man meist betroffen. Was aber, wenn es genau dich trifft, du derjenige bist, dem das Unvorstellbare passiert - etwas Grausames, das doch immer nur anderen passiert.
Dominik ist Anfang zwanzig, zufrieden mit sich und seiner Welt. Gerade macht er ein Praktikum bei einer Zeitung und steht vor einem Date mit einem Mädchen, das für ihn zum ersten Mal etwas Ernstes sein könnte.
Nach dem Tod seiner Eltern hat er nur noch seine Schwester und ihren Mann, zu denen er ein gutes Verhältnis hat. Zwar nervt ihn seine Schwester manchmal, wenn sie ihn wieder einmal bemuttert und ihn wie einen kleinen Jungen behandelt, doch sind sie sich innig verbunden und immer füreinander da. Nichts deutet daraufhin, das sich Dominiks Leben plötzlich ändern könnte. Als er eines Abends auf dem Heimweg hinterrücks niedergeschlagen wird und er später nackt und gefesselt in einem modrigen Keller erwacht ist nichts mehr wie es war. Über mehrere Stunden wird er gefoltert und vergewaltigt. Der Täter hat seinen Plan perfekt vorbereitet. Er gibt Dominik scheinbar keinen Hinweis auf seine Identität. Als der Tag anbricht, entlässt er den geschundenen jungen Mann mit verbundenen Augen in einem Waldstück aus seiner Gewalt, nicht ohne ihm mit dem Tod zu drohen, sollte er sich jemandem anvertrauen oder gar zur Polizei gehen. Davon ist Dominik weit entfernt. Verletzt, entwürdigt und zutiefst in Selbsthass gefangen schließt er sich in seiner Wohnung ein. Angst ist ab sofort sein ständiger Begleiter und selbst die kurzen Wege zur Redaktion legt er mit dem Auto zurück. Er will vergessen - schnell. Nicht mehr erinnert werden an die Geschehnisse der Nacht, in der ihm alles genommen wurde: Selbstbewusstsein, Freiheit, Unversehrtheit. Doch er hat die Rechnung ohne seinen Peiniger gemacht, denn der hat in seinem perfiden Spiel eine besondere Rolle für Dominik. Als schon kurze Zeit später einer seiner Freunde tot aufgefunden wird und dessen Leiche Vergewaltigungsspuren, Misshandlungen und Foltermerkmale aufweisen, genau wie sein eigener Körper, wird Dominik bewusst, dass es noch nicht vorbei ist. Dann verlangt sein Chef von ihm, ausgerechnet über diesen Mord an seinem Freund einen Artikel zu schreiben. Und nur Tage später verschwindet plötzlich ein weiterer Freund von ihm.
Nicole Schumacher hat mit ihrem Buch ein tabuisiertes Thema aufgegriffen: Die Vergewaltigung eines Mannes. Bildhaft schildert sie die Folgen, die mentale Veränderung des Opfers, den gebrochenem Stolz, die verlorene Unbeschwertheit, die grenzenlose Scham, den Selbsthass, die Entwicklung vom Selbstmitleid bis zur Auflehnung und der schlussendlichen Kampfansage. Perfekt eingebettet in eine Kriminalgeschichte die spannender nicht sein könnte ist es dem Leser kaum möglich, das Buch zur Seite zu legen. An keiner Stelle hatte ich das Gefühl, nicht mitgenommen worden zu sein und am Ende des Buches wurde ich mit dem Wow-Effekt belohnt, den nur wenige Autoren/-innen zu konstruieren imstande sind. Ich konnte den Täter nicht erahnen.

Fazit: Ein Buch, das fassungslos darüber macht, wie grausam Menschen sein können. Eine spannende Kriminalstory, die einen nachdenklichen Leser zurücklässt ohne ihn mit dem Ende allein zu lassen. Es ist flüssig geschrieben und ich möchte es trotz der minimalen Textfehler sehr gern empfehlen.