Prager Tagebuch
Autor : Petr Ginz
ISBN: 3-8270-0641-4
Verlag: Berlin Verlag
Wenn sich die Gelegenheit bietet, erwacht die Niedertracht der Menschen.
Man lasse sich diesen Satz auf der Zunge zergehen, schmecke den bitteren Nachgeschmack und habe ein ungutes Gefühl als Nachhall.
Ich las den ersten Satz in einem Buch. Manche werden es kennen. Allen Anderen sei es wärmstens empfohlen, mit der Auflage, es möglichst allein und mit einem Stapel Taschentücher in Reichweite zu lesen.
Es trägt den Titel “Prager Tagebuch” und beinhaltet die Aufzeichnungen eines jüdischen Jungen aus Prag aus den Jahren 1941 bis 1942.
Erst dachte ich: Schon wieder so ein Buch über Nationalsozialisten, Krieg usw.
Aber dieses ist anders. Es ist nicht eines von Vielen.
Diese Aufzeichnungen haben ein Gesicht. Sie haben einen Namen : Petr Ginz.
Dieser Junge ist so einfach, so besonders, so naiv und hochintelligent, so neugierig und unkompliziert. Die Schreibweise ist klar, einfach, auf den Punkt genau.
Das Alltägliche ist für ihn und seine Familie zum Besonderen geworden, so grausam es sich anhören mag.
Die unvorstellbaren Lügengebäude des Naziregimes - als Leser werden sie hier radikal ins Bewusstsein geholt.
Der Leser will schreien, will warnen, helfen - wo es nichts mehr zu helfen gibt.
Wie ein roter Faden zieht sich der Gedanke an das unvermeidliche Ende durch die Lektüre, die Fahrt nach Auschwitz in den Tod.
Die besondere Tragik dieses Buches zeigt sich beim Betrachten der Familienfotos und Zeichnungen des Petr Ginz am Ende.
Das Buch ist nicht nur ein Buch. Man kennt den Autor, seine Gedanken, seine Gefühle und ein wenig aus seinem Leben. Mehr noch: Man kennt sein Gesicht und genau dadurch tritt er aus der Masse der Anonymität so stechend hervor, wird zu einem Bekannten des Lesers.
Petr schreibt nicht einmal darüber, das er Angst hat und doch spürt der Leser, sie ist unterschwellig allgegenwärtig, wenn Tante, Onkel oder Bekannte zum Transport vorgeladen werden.
Man kann es schlecht beschreiben. Das Buch ist zum Lesen, zum Fühlen, zum Erinnern.
Dieses Buch hat mich sehr betroffen gemacht.
Man sollte es in den Literaturunterricht der Schulen aufnehmen.