Der Einzelgänger

Autor: Christopher Isherwood
ISBN: 978-3-518-46122-8
Verlag: Suhrkamp Verlag



“Jetzt ist er ganz Schauspieler - ein Schauspieler, der auf dem Weg von seiner Garderobe durch die Welt von Requisiten, Lampen und Bühnenarbeitern zu seinem Auftritt eilt. Als alter Hase, der ruhig und seiner Sache sicher ist, wartet er einen wohl bemessenen Augenblick auf der Schwelle zum Büro, um dann klar und deutlich mit jenem fein modulierten britischen Tonfall, den sein Publikum von ihm verlangt, seine erste Zeile zu sprechen: Good morning!“

George ist Literaturprofessor. Seine Tage unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. Er ist eine feste Größe am San Tomas State College und nicht beliebter oder unbeliebter als jeder andere Pädagoge einer Lehranstalt. Im seinem personellen Umfeld ist er als homosexuell bekannt, jedoch nicht geoutet und so spielt er jeden Tag aufs Neue eine Rolle, gleich einem Schauspieler auf der Bühne.
George ist einer der unauffälligen Menschen auf der Welt, in seinem Beruf aufgehend und sich seiner sexuellen Ausrichtung entsprechend, hintergründig über die schönen Körper der jungen Männer erfreuend, denen er im Laufe eines Tages begegnet ohne sie wirklich zu kontaktieren. Er schaut nur - für mehr steht ihm jemand im Weg. Zum einen er selbst, zum anderen sein Freund Jim, den er vor einem Jahr bei einem Unfall verlor. Noch immer hat er es nicht geschafft, sich für das zukünftige Leben wieder zu öffnen. Von einer neuen Beziehung ist er weit entfernt.

Im Buch erzählt George den Ablauf seines Tages, seine Meinung zu diesem und jenem, zu den Personen in seinem Umfeld und bemerkt erst am Abend nach einem zufälligen Treffen mit einem seiner Studenten, dass da noch mehr im Leben auf ihn wartet, dass Vergangenheit nicht Vergessen ist, sondern ein Start in die Zukunft sein kann.
Man hat das Gefühl, der Student Kenny wäre George in jungen Jahren. Zwischen den Ratschlägen für Kenny liegt die Erkenntnis seiner eigenen Fehlentscheidungen.

Der Autor erzählt hintergründig und interessant. Wer hier eine Lehrer-Schüler-Affäre erwartet, den kann ich beruhigen. Sie findet nicht statt, obgleich man unweigerlich den Gedanken daran hat - am Anfang des Treffens.
Das Buch erregte meine Aufmerksamkeit durch den Film “a single man” aus dem Jahr 2009, den ich zwar nicht gesehen habe, der aber Auslöser war, mir dieses Buch zu kaufen. Das Einlesen war nicht einfach für mich. Vergleichbar mit einem Haus, in das ich einziehen sollte, aber nicht so richtig wollte, erschloss sich mir sein Inneres erst später. Dann allerdings legte ich das Buch bis zum Ende nicht mehr aus der Hand.
Die Kritiker sagen, “Der Einzelgänger” wäre Isherwoods bester Roman. Ich kann das nicht beurteilen, denn ich habe keinen einzigen weiteren Roman von ihm gelesen. Eines aber kann ich bestätigen. Das Buch ist absolut lesenswert. Ich kann es nur empfehlen.