Adressat Unbekannt
Autorin : Kressmann Taylor
ISBN: 978-3-499-23093-3
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Ein Büchlein von zweiundsechzig Seiten.
Unscheinbar - fast.
Ich hätte es in den Regalen der Buchhandlungen wahrscheinlich nicht einmal bemerkt.
Dass ich dennoch auf dieses Buch aufmerksam wurde, verdanke ich einer Bekannten. Sie schenkte es mir als Reaktion auf eine Rezension hin, die ich über das “Prager Tagebuch” geschrieben hatte.
Adressat Unbekannt erzählt in Form eines Briefwechsels von der Freundschaft des Juden Max Eisenstein zu dem Deutschen Martin Schulse in den Jahren Neunzehnhundertzweiunddreißig bis vierunddreißig.
Beide sind Inhaber einer Kunstgalerie in San Franzisko.
Als Martin mit seiner Familie schließlich nach Deutschland zurück kehrt, verändert sich die Beziehung der Beiden zueinander.
Während Max vom fernen Amerika aus mit wachsender Sorge die politischen Veränderungen in Deutschland verfolgt, lässt sich Martin beeinflussen von Hitlers Politik. Immer weiter gerät er in den Bann einer scheinbaren Verbesserung der Welt durch Adolf Hitler und bemerkt nicht, wie er sich selber verändert, für seinen Freund immer mehr zum Feind wird, als er selbst den Tod unschuldiger Menschen entschuldigen will.
Als Max Eisenstein seinen Freund bittet, sich um seine Schwester zu kümmern, die zur selben Zeit in Berlin Theater spielt, ist die Freundschaft längst zerbrochen.
Trotzdem versucht Eisenstein, Martin wach zu rütteln, ihm die Augen zu öffnen, über die wahren Geschehnisse in Deutschland. Mehr noch. Im Vertrauen auf die Loyalität Schulses ihm gegenüber vertraut Eisenstein ihm den Schutz seiner Schwester an.
Doch er täuscht sich, denn durch Schulses Nichtstun liefert er Eisensteins Schwester an die SS aus.
An diesem Punkt erwacht in Max Eisenstein das Gefühl der Rache.
Nur allein mit Briefen vernichtet er den ehemaligen Freund, allein mit sorgsam gesetzten Worten.
Die Entwicklung Schulses unter dem Einfluss von Hitlers Manipulationen ließen meine Gedanken beim Lesen zwangsweise zu einem anderen Buch schweifen: Morton Rhues “Die Welle”. Die Aktualität ist erschreckend wie nie, wie auch die Gefahr, die immer noch da ist, selbst sechs Jahrzehnte nach dem letzten Krieg.
Adressat Unbekannt ist ziemlich schnell gelesen und gerade dies gab mir das Gefühl für die rasanten Veränderungen in Deutschland in jenen Jahren und zweier Menschen zueinander.
Wie schnell lässt sich ein Mensch manipulieren bis zu dem Zeitpunkt, die Meinungen und Ansichten Anderer als seine eigenen zu übernehmen und dabei nicht einmal zu bemerken, wie falsch und gefährlich das ist.
Dieses Büchlein vermag auf seinen zweiundsechzig Seiten mehr Dramatik, mehr Entsetzen beim Leser hervor zu rufen,. als es mach anderer Wälzer der Zeitgeschichte nur annähernd könnte. Allerdings kann ich nur empfehlen, das Vorwort von Elke Heidenreich erst am Ende des Buches zu lesen, da es schon eine Art von In-den-Mund-legen ist.
Wie auch Petr Ginz` Prager Tagebuch verdient Adressat Unbekannt einen Platz im Bücherregal und auch im Lehrplan der Schulen wäre das Buch bestens aufgehoben.
Adressat Unbekannt - Ein Buch, welches unbedingt gelesen sein sollte.