Schutt und Asche

Der Tag ist grau und vorbei, ehe er richtig erwacht ist. Es ist kalt und windig. Ich stehe auf dem Friedhof und starre auf das frische Grab. Menschen stehen um mich herum. Ich sehe sie nicht. Undeutlich dringen Wortfetzen an mein Ohr. Es sind Worte ohne Trost. Irgendwer legt mir seine Hand auf die Schulter, will mich fortziehen.

Vergebens. Später …Vielleicht.

Meine Tränen sind zu Eis gefroren, mein Herz ohne wirkliches Gefühl. Mit abgestorbener Seele sehne ich mich danach, unter diesen Blumen zu liegen, bei dir.

 

Ich stehe auf der Asche inmitten der Reste rußgeschwärzter Mauern …

 

15 Wochen.

“Ich lege mich ein wenig hin. Es geht mir nicht gut.”

Schon wieder. Immer, wenn wir uns etwas vorgenommen haben. Ich bin wütend, werfe meine Jacke auf das Sofa, knalle mit der Tür und schließe mich im Bad ein.

 

12 Wochen.

Du warst beim Arzt. Die Schmerzen sind nicht vergangen, erzählst du.

Wieder fällt das Kino aus. Verschoben auf den nächsten Sonntag.

Ich setze mich schweigend vor das Fernsehgerät und ignoriere deine Worte an mich, bis du schweigst.

 

9 Wochen.

Du bist schmal geworden. Ich glaube, es schmerzt dich, dass ich nicht mit dir rede. Doch ich kann nicht. Ich gehe dir aus dem Weg. Unser gemeinsamer Abend platzt wegen deiner Migräne. Wieder tobt die Wut in mir.

 

5 Wochen.

Das Zimmer ist still. Du sitzt auf deinem Stuhl und siehst mich traurig an.

“Ich muss gehen”, sagst du.

Ich schweige.

Mein Ärger verfliegt und macht einer Erleichterung Platz, die sich schlecht anfühlt. Ich rede mir ein, dass es besser so ist und denke nicht darüber nach, was daran wirklich besser sein soll.

 

2 Wochen.

Dein Anruf erschreckt mich. Du klingst müde. Ich weiß inzwischen, es war ein Fehler, dich gehen zu lassen.

Unser Treffen läuft anders, als ich es jemals für möglich halten konnte.

 

Heute morgen.

Es regnet schmutzigen Schnee und es ist kalt und grau.

Ich stehe hier. Ohne einen klaren Gedanken zu fassen, funktioniere ich. Ich binde mir die Krawatte um und ziehe die schwarzen Schuhe an.

 

“Unser Haus fing Feuer. Ein Kurzschluss in einer dunklen Ecke löste es aus.

Ich bemerkte es nicht.

Etwas später stand der Keller in Flammen.

Ich ignorierte den Brandgeruch.

Die Fenster barsten. Das Dach fiel über uns zusammen.

Du ranntest mit dem viel zu kleinen Feuerlöscher gegen das Flammenmeer.

Hast es nicht geschafft, uns zu retten.

Ich habe dir nicht geholfen, stand einfach nur daneben.

Bis nichts mehr übrig war, außer den verkohlten Balken, rußigen Mauerresten und grauen Bergen aus Asche.”

 

Du hast mir deine Krankheit verschwiegen und ich habe nichts gemerkt.

Wie blind war ich gewesen.

Heute sehe ich dich wieder, auf einem Bild, auf dem Grab unter einem Meer aus Blumen.

Still und starr stehe ich hier und weiß, ich werde mir nie verzeihen können, nicht gesehen zu haben … nicht bemerkt zu haben … nicht verstanden zu haben.

Ich sehe auf dein Bild. Du lächelst. Doch das ist kein Trost für mich.

Unser Haus gibt es nicht mehr. Übrig blieben Schutt und Asche und keiner, der es jemals wieder aufbauen könnte.